Keine eigenen Aktien als Sacheinlage - Verhaltensgrundsätze für Mitglieder des Vorstands und Aufsichtsrates einer AG

Der Insolvenzverwalter über das Vermögen einer AG hatte zwei Mitglieder des Vorstandes und ein Mitglied des Aufsichtsrates (Wirtschaftsanwalt) auf Schadensersatz in Anspruch genommen. Die Klage war gestützt auf § 93
Abs. 3 Nr. 4 AktG (Haftung bei Aktienausgabe vor der vollen Leistung des Ausgabebetrages). Im Rahmen von Beteiligungserwerben übernahm die AG auf Vorschlag des verklagten Aufsichtsratsmitglieds von einem Dritten im Wege der Wertpapierleihe eigene Aktien, um damit den Erwerb bezahlen zu können. Anschließend wurde der Dritte entsprechend Vorschlag des Aufsichtsratsmitglieds im Rahmen einer Kapitalerhöhung zur Zeichnung neuer Aktien zugelassen. Die (Sach)Einlage sollte durch den Verzicht auf Rückgabe der entliehenen Aktien erbracht werden.

Der BGH stellte klar, der Verzicht auf Rückgabe der entliehenen Aktien sei kein tauglicher Gegenstand einer Sacheinlage. Eigene Aktien können nicht als Sacheinlage eingebracht werden, weil die AG damit kein neues Kapital erhalte. Weil die Aktien selbst kein tauglicher Einlagegegenstand wären, könne auch nicht der Anspruch auf Leistung von Aktien zur Erfüllung einer Rückgewährschuld als zulässige Sacheinlage gesehen werden. Die deshalb unwirksame Sacheinlagevereinbarung begründet deshalb eine Bareinlagepflicht, die nicht erfüllt worden sei, so dass die Aktienausgabe eine Ersatzpflicht nach § 93 Abs. 3 Nr. 4 AktG begründet.

Der BGH bejahte auch ein Verschulden der beiden Vorstandsmitglieder. Eine schlichte Anfrage bei einer für fachkundig gehaltenen Person reiche nicht aus, um den strengen Anforderungen an die dem Vorstand obliegende Prüfung der Rechtslage und die Beachtung von Gesetz und Rechtsprechung zu genügen. Erforderlich ist vielmehr, dass sich das Organ, das selbst nicht über die erforderliche Sachkunde verfügt, unter umfassender Darstellung der Verhältnisse der Gesellschaft und Offenlegung der erforderlichen Unterlagen von einem unabhängigen, für die zu klärenden Fragen fachlich qualifizierten Berufsträger beraten lässt und die erteilte Rechtsauskunft einer sorgfältigen Plausibilitätskontrolle unterzieht. Demnach darf der Vorstand Vorschläge aus dem Aufsichtsrat nicht ungeprüft übernehmen.

Auch das Aufsichtsratsmitglied handelte schuldhaft. Es kann sich als Rechtsanwalt angesichts der eindeutigen Rechtslage grundsätzlich nicht auf einen unverschuldeten Rechtsirrtum berufen. Das Aufsichtsratsmitglied, das über beruflich erworbene Spezialkenntnisse verfügt, unterliegt, soweit sein Spezialgebiet betroffen ist, einem erhöhten Sorgfaltsmaßstab.

Zusammenfassung

1. Eigene Aktien können nicht als Sacheinlage eingebracht werden. Dies gilt auch für einen Anspruch auf Leistung von Aktien der AG zur Erfüllung einer Rückgewährschuld, jedenfalls wenn dies in einem unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der Darlehensgewährung vereinbart wurde.

2. Verfügt der Vorstand (und ebenso der Geschäftsführer) nicht über die erforderliche Sachkunde, hat er sich unter umfassender Darstellung der Verhältnisse der Gesellschaft und Offenlegung der erforderlichen Unterlagen von einem unabhängigen, für die zu klärenden Fragen fachlich qualifizierten Berufsträger beraten zu lassen und den erteilten Rechtsrat einer sorgfältigen Plausibilitätskontrolle zu unterziehen.

3. Das Aufsichtsratsmitglied, das über beruflich erworbene Spezialkenntnisse verfügt, unterliegt, soweit sein Spezialgebiet betroffen ist, einem erhöhten Sorgfaltsmaßstab.

BGH: Urteil vom 20.9.2011 - II ZR 234/09